Senegal - Es gibt Projekte, die Zeit brauchen, um ihre erhoffte Wirkung zu entfalten. Im Fall der Primarschule von Niassène Ségré folgte auf die Enttäuschung ein Wunder.
Zum vierten Mal bin ich auf der staubigen Sandpiste unterwegs ins Dorf von Niassène Ségré. Ich mache mir Sorgen, denn die letzten Besuche waren von Enttäuschungen überschattet. Seit 2012, als das Schulgebäude gebaut wurden, verlief nichts mehr, wie ursprünglich geplant. Ich musste machtlos zur Kenntnis nehmen, wie das Schulprojekt nach und nach zerfiel, was hauptsächlich mit dem Wirken des damaligen verantwortlichen Direktors zu tun hatte. Im Jahr 2019 besuchten noch 19 SchülerInnen die Schule – und das in einer Region mit mindestens 150 schulpflichtigen Kindern!
Wir lassen das Auto stehen und legen die letzten Meter zur Schule zu Fuss zurück. Bereits auf dem Weg höre ich, wie die Kinder im Chor sprechen und dazwischen die tiefere Stimme der Unterrichtenden. Sind das Halluzinationen? Ich habe keine Zeit, mich weiter zu wundern, denn zwei Lehrer kommen mit strahlendem Lächeln auf mich zu: „Willkommen in der Schule von Niassène Ségré!“
Sie stellen sich vor und berichten, dass sie seit zwei Jahren die Verantwortung für den Schulbetrieb übernommen haben. Schon im ersten Jahr ist die Schülerzahl auf vierzig Kinder gestiegen; im Schuljahr 2021/22 sind es 53 Kinder, davon sind 49.1% Mädchen. Unterrichtet wird in drei Klassen. Natürlich ist damit noch nicht alles erreicht, was geplant war, aber unsere Hoffnung ist wieder da.
Während meines Besuchs in den zwei Klassenräumen spreche ich mit den Kindern und die Lehrer informieren mich über ihre Schule. Ich bin tief beeindruckt von ihrem Engagement: die Lehrer haben in Eigeninitiative anhand von Internetrecherchen Montessori-Lehrmaterial selbst angefertigt. Sie sind laufend auf der Suche nach neuen Ideen.
Das Vertrauen der Eltern zurückgewinnen
Was wurde unternommen, um den Schulbetrieb wieder zum Blühen zu bringen? Die Lehrkräfte erklären, dass sie aus der gleichen Region kommen und der gleichen Volksgruppe, den Peulhs, angehören wie die Dorfbewohner von Niassène Ségré. Zweitens haben sie sich in das Dorf integriert. Alle Familien wurden zuhause besucht, um sich über ihre Situation ein Bild zu machen. Die Eltern wurden schrittweise für die Wichtigkeit des Besuchs der Primarschule für ihre Kinder sensibilisiert. So konnte das Vertrauen nach und nach wieder hergestellt werden. Heute arbeiten die beiden Lehrkräfte Hand in Hand mit der Elternvereinigung. So etwas wäre vor zwei Jahren noch unvorstellbar gewesen.
Ich bin verblüfft, wie sehr das Engagement von zwei Lehrern die Situation verändert hat. Die beste Infrastruktur, eine gute Ausbildung und nahe Projektbegleitung genügen nicht. Wir brauchen vor allem geeignete Akteure damit sich der Aufwand lohnt. Diesen beiden Lehrkräften ist es gelungen, die Schule in Rekordzeit wieder zum Mittelpunkt des Dorfes zu machen. I Ich möchte ihnen meine Dankbarkeit ausdrücken.
Xavier Mühlethaler
Übersetzt von Susanne Privitera